Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre French-Open-Finalniederlage 1988 gegen Mats Wilander?
Henri Leconte: Das war eine riesige Enttäuschung für mich. Manchmal ist es besser in einem Halbfinale anstatt in einem Finale zu verlieren. Aber mittlerweile sind 26 Jahre vergangen, ich komme gut damit klar.
Hat sich Ihr Leben nach dem Erreichen dieses großen Endspiels verändert?
Ganz gewiss. Bevor ich in Roland Garros das Finale bestritten habe, war ich in Frankreich sehr unbeliebt. Die Leute mochten meine Spielweise nicht. Auch die Art, wie ich nach Matches gesprochen habe, kam nicht gut an. Ich hatte immer schon eine starke Persönlichkeit. So richtig verändert hat sich mein Leben dann 1991, als Frankreich den Daviscup gegen die USA gewonnen hat. Ich habe im Einzel Pete Sampras besiegt und gemeinsam mit Guy Forget auch das Doppel gewonnen. Heute lieben mich die meisten Franzosen.
Wie viel Preisgeld haben Sie damals als French-Open-Finalist verdient?
Es war sehr wenig, verglichen mit der heutigen Zeit. Aber es hat genügt, um ein Haus in Südfrankreich zu kaufen und meiner Familie und mir ein schönes Leben zu bereiten.
Meinen Sie, die derzeitigen Topspieler verdienen zu viel?
So würde ich es nicht sagen. Es ist, wie es ist. Das Preisgeld wird jedes Jahr mehr, nicht nur im Tennis. Was mich etwas stört, ist die Verteilung. Die Spieler an der Spitze verdienen immer mehr, während viele andere darum kämpfen müssen, sich die vielen Reisen finanzieren und an Turnieren teilnehmen zu können.
Was würden Sie am Tennissport ändern?
Der größte Fehler war die Annäherung der Beläge. Heutzutage wird überall fast das gleiche Tennis gespielt, egal, ob auf Sand, Rasen oder Hartplatz. Früher gab es noch echte Spezialisten, auch Spieler, die Serve & Volley perfekt beherrschten. Wenn es in Paris trocken und heiß ist, sind die French Open vielleicht schon jenes Turnier, bei dem am schnellsten gespielt wird. Und das auf Sand. Das wäre früher unmöglich gewesen.
Viele sprechen im Zusammenhang mit Federer, Nadal, Djoković und Murray von einer goldenen Ära. Erlebt das Tennis sein bestes Zeitalter?
Jede Ära hat seine Champions. Ich erinnere nur an Rod Laver oder Björn Borg. Man kann Generationen nicht miteinander vergleichen, allein schon wegen der unterschiedlichen Schläger, Bälle und Beläge.
Vermissen Sie die großen Charaktere auf der Tour?
Natürlich. Wir vermissen und brauchen echte Typen. Wenn die Zeit gekommen ist, für Nadal und Djoković Abschied zu nehmen, wer ist dann noch da? Mir fallen neben den beiden noch Federer, Murray, Tsonga und Monfils ein. Aber sonst?
Sie haben zwischen 1984 und 1994 gleich neunmal gegen Thomas Muster gespielt. Woran denken Sie bei seinem Namen?
Bei Muster denke ich an den Terminator. Ich nennen ihn heute noch so. Er war so schwer zu bezwingen, weil er ein großartiger Kämpfer war. Muster war als Spieler unglaublich hart zu sich selbst, teils wirkte es so, als befände er sich in einem Tunnel. Vor einigen Jahren habe ich ihn auf der Champions Tour der Ex-Profis wiedergesehen. Und ich habe plötzlich einen freundlichen, netten und lustigen Menschen kennengelernt. Thomas hat mir eine neue, tolle Seite von sich gezeigt.
Muster gab 2010 sogar ein Comeback.
Ich habe mich nur nach dem Grund gefragt, für mich war das völlig unecht. Aber ihm selbst war es wichtig, ich habe großen Respekt davor.
Lassen Sie uns noch über die Gegenwart sprechen. Wer ist Ihr Favorit auf den French-Open-Titel?
Zuallererst Nadal, an zweiter Stelle kommt für mich Djoković. Aber Nadal hier in Paris über fünf Sätze zu bezwingen – das ist unglaublich schwer. Vielleicht gibt es ja sogar eine Überraschung. Bei den Australian Open hatte schließlich auch niemand ernsthaft Wawrinka auf der Rechnung. Aber bitte, erwarten Sie keine Überraschungen von den Franzosen. Wir wären schon froh, wenn es einer in die zweite Woche schafft.
Woran liegt es, dass Sie bis heute der letzte Franzose sind, der es in Roland Garros bis in das Finale geschafft hat?
Die französischen Spieler machen sich selbst so ungemein viel Druck, sie haben Angst. Und bei vielen scheitert es an der Vorbereitung. Ich habe mich früher ab Ende März jeden Tag fünf Stunden auf Sand vorbereitet, das macht die heutige Generation nicht.
Zahlreiche ehemalige Legenden wie Boris Becker, Stefan Edberg oder Michael Chang fungieren heute als Trainer. Wäre das nicht auch eine reizvolle Aufgabe für Sie?
Warum nicht? Das Problem ist nur: Ich brauche einen Spieler, der noch verrückter ist,, als ich es bin (lacht). Nein, ganz im Ernst. Ich kann mir das schon gut vorstellen, habe auch die nötige Leidenschaft für den Sport. Vielleicht sieht man mich ja bald wirklich als Trainer.